Dienstag, 16. Juni 2009

Balance-Akt / Gleichgewicht



100 % für Gleichberechtigung!

Aber dann auch bitte überall!



Das geschwächte Geschlecht

Emanzipation, nächste Stufe: Gegen die Benachteiligung und Abwertung von Männern formiert sich eine neue Bürgerrechtsbewegung

Man stelle sich Folgendes vor: Ein Berliner Richter erklärt in einem Interview, dass er bei gleichen Delikten gegen Männer konsequent mildere Strafen verhänge als gegen Frauen und dass dies auch die meisten seiner Kollegen so täten. Dieser „Männerrabatt“ sei gut und notwendig. Eine Empörungswelle würde durchs Land rauschen.

Natürlich verhielt es sich in Wirklichkeit andersherum. Professor Ulrich Vultejus, Richter am Berliner Amtsgericht a.D., hatte im April gegenüber der „Zeitschrift für Rechtspflege“ erklärt, er habe sich in Verfahren gegen Frauen immer wieder gefragt, welche Strafe er gegen einen Mann verhängen würde, und dann „auf diese Strafe abzüglich eines Frauenrabatts erkannt. Ähnlich scheinen es auch meine Kollegen zu handhaben.“ Ein „Rabatt“, setzte Vultejus hinzu, sei gerechtfertigt, „weil es Frauen im Leben schwerer haben“.

Der Eklat blieb aus – Bevorzugung von Frauen ist auf der hiesigen Empörungsklaviatur kein abrufbarer Akkord. Und die stets vorgebrachte Unterstellung, die Privilegierung des einen Geschlechts zöge automatisch die Diskriminierung des anderen nach sich, galt in diesem Fall offenbar auch nicht.

Dabei weisen Männerrechtler seit einiger Zeit darauf hin, dass das sogenannte starke Geschlecht inzwischen in vielen Bereichen benachteiligt wird. Etwa die 2004 ins Leben gerufene „geschlechterpolitische Initiative“ MANNdat e.V., deren einziges Vereinsziel darin besteht, so Sprecher Eugen Maus, „Benachteiligungen von Männern bekannt zu machen und zu beseitigen“. Als Beispiele nennt der promovierte Psychologe unter anderem „den Zwangsdienst in der Bundeswehr, die Vernachlässigung von Jungen durch die Bildungspolitik, die schlechtere Gesundheitspolitik für Männer, die einseitige Darstellung häuslicher Gewalt zu Lasten von Männern, die rechtliche Schlechterstellung von Vätern und geschiedenen Männern“. Speziell für Letztere engagiert sich der „Väteraufbruch für Kinder“ mit inzwischen 3000 Mitgliedern und 100 lokalen Kontaktstellen. Namentlich im Internet, ob nun im „Frauen und Männer“-Forum bei die Gesellschafter.de., auf maskulist.de oder genderama.blogspot.com, formiert sich eine neue Bürgerrechtsbewegung gegen die Diskriminierung der Männer.

Anlässe gibt es zuhauf. Deutsche Männer sterben im Schnitt fünfeinhalb Jahre eher als Frauen, aber bis heute existiert kein Männergesundheitsbericht der Bundesregierung (wohl aber einer für Frauen). In der Krebsvorsorge werden Frauen privilegiert. In der medizinischen Fachpresse kommt auf 20 Artikel über Frauengesundheit einer über männliche. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „unterstützt Männergesundheit dezidiert nicht“, urteilt der Dresdner Gesundheitswissenschaftler Matthias Stiehler. Dass Männer weit öfter bei der Arbeit verunglücken oder viel häufiger an Berufskrankheiten laborieren, sei dort ebenso wenig ein Thema wie der merkwürdige Widerspruch, dass Frauen offiziell doppelt so oft an Depressionen leiden, Männer sich aber drei- bis viermal so häufig umbringen.

Männer seien nicht nur an der Spitze der sozialen Pyramide überrepräsentiert, sondern auch am unteren Ende, notiert der Soziologe Walter Hollstein. „Das Gros der Arbeitslosen, Hilfsarbeiter, Wanderarbeiter, Obdachlosen oder chronisch Kranken ist männlich, ohne dass jemand dies zum Anlass nähme, auch darin eine gesellschaftliche Ungerechtigkeit zu sehen“

Auch die Erkenntnis, dass Frauen von Gerichten bevorzugt werden, ist nicht neu. Bereits Ende der 80er-Jahre hatten Stuttgarter Forscher festgestellt, dass Hauptverhandlungen gegen Frauen viel öfter mit Verfahrenseinstellung endeten und dass die Strafen bei identischen Delikten für sie in der Regel weit geringer ausfielen. Studien aus dem angelsächsischen Raum bestätigten den Befund. „Männer bekommen längere Strafen für dieselben Delikte“, weiß der US-amerikanische Rechtsanwalt Marc Angelucci und beruft sich unter anderem auf eine kalifornische Studie anhand von 181197 Straftaten.

Im Grunde wünscht sich auch kein normaler Mann, dass Frauen hart bestraft werden. In zivilisierten Weltgegenden galt lange der unausgesprochene Gesellschaftsvertrag, dass Männer für ihre Privilegien auf der einen Seite mit Nachteilen auf der anderen zahlen – und Frauen desgleichen. Dieses Verhältnis ist einseitig aufgekündigt worden. Nun fordern Männerrechtler, dass Frauen, wenn sie tatsächlich gleichgestellt werden wollen, auch die Nachteile männlichen Daseins in Kauf nehmen müssen: also etwa zur Bundeswehr gehen, unter Tage arbeiten und im Katastrophenfall die Hälfte der Plätze in den Rettungsbooten freimachen. Keine schönen Aussichten für das gesellschaftliche Klima.

Das aber hat, folgt man den Maskulinisten, der Feminismus ohnehin gründlich verdorben. „Männerfeindlichkeit“ sei „inzwischen geradezu selbstverständlich geworden“, notiert der Publizist Arne Hoffmann in seinem Buch „Männerbeben“ (Lichtschlag-Verlag) und fasst die Hauptsymptome zusammen: „Männer und ihre spezifischen Probleme bleiben unerwähnt; Männer als Gruppe erleiden konkrete Nachteile; Männer als Gruppe werden in Äußerungen und Texten massiv abgewertet.“ Letzteres ist in der Tat Usus. So vertraute etwa Cornelia Pieper, stellvertretende FDP-Vorsitzende, anno 2007 der „Bunten“ an, während „die Frau sich ständig weiterentwickelt“, sei „der Mann auf seiner Entwicklungsstufe stehen geblieben“ und „von der Evolution und dem weiblichen Geschlecht überholt“ worden. „Warum Männer früher sterben sollten“, lautete die Schlagzeile einer Spiegel-online-Geschichte im vergangenen Jahr („Ab einem bestimmten Alter sind sie in monogamen Gesellschaften einfach nutzlos“). Bereits 2001 hatte die spätere Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing erklärt, sie sei „zunehmend schockiert über die gedankenlose Abwertung von Männern, die so sehr Teil unserer Kultur geworden ist, dass sie kaum noch wahrgenommen wird“.

Als eine permanente Diskriminierung von Männern darf wohl auch der Versuch begriffen werden, Frauen als permanent Diskriminierte hinzustellen.

Beispiel Gehälterdifferenz: Nachdem das Statistische Bundesamt in diesem Jahr festgestellt hatte, dass deutsche Frauen 24 Prozent weniger verdienen als Männer, grenzte die mediale Nichtweiterverbreitung der Ursachen an gezielte Desinformation. Frauen verdienen vor allem deshalb weniger, weil sie mehr Teilzeit und insgesamt überhaupt weniger im Job arbeiten – deutsche Männer sind im Schnitt 38,6 Stunden in der Woche, Frauen aber nur 29,7 berufshalber beschäftigt -, weil sie die softeren Berufe (und Studiengänge) bevorzugen und keineswegs so karrierefixiert sind wie Männer. Bei Berufseinsteigern sei die Differenz noch gering, bilanziert das Statistische Bundesamt. Außerdem gebe es typische Männer- und typische Frauenberufe, und in Berufen mit hohen Bruttojahresverdiensten arbeiteten deutlich mehr Männer. Doch gleichsam unter der Hand verwandelte sich die Meldung „Piloten verdienen mehr als Stewardessen“ in „Frauen verdienen weniger als Männer“.

Das Bundesfamilienministerium, das auf seiner Homepage verbreitet hatte, Frauen verdienten „noch immer nur 77 Prozent“ des männlichen Einkommens, „wohlgemerkt für die gleiche Arbeit“, nahm dieses Märchen nach Protesten von MANNdat mit Entschuldigung aus dem Netz. Es gibt kein Indiz dafür – ein Unternehmer müsste ja ziemlich blöd sein, überhaupt Männer zu beschäftigen, wenn er für ein Viertel weniger Lohn identisch befähigte Mitarbeiterinnen bekommen könnte.

Beispiel häusliche Gewalt: Obwohl eine kaum mehr überschaubare Menge von Studien in der gesamten westlichen Welt gezeigt hat, dass Frauen ähnlich oft wie ihre Partner gewalttätig werden, auch gegen Kinder und Alte, hält sich beharrlich das Bild der Frau als ausschließliches Opfer. Von zehn Studentinnen, die 2006 zu ihr in Behandlung kamen, seien sechs „zum Teil bis zur Ohnmacht von ihren Müttern geschlagen worden“, schreibt die Therapeutin und Ex-Feministin Astrid von Friesen. Das „allergrößte Tabu“ sei heutzutage „die Scham, davon zu berichten, dass die eigene Frau oder die eigene Mutter einen selbst geschlagen, geprügelt oder gemartert“ habe.

Inzwischen führt das allein den deutschen Steuerzahler mehr als eine Milliarde Euro jährlich kostende Programm des Gender-Mainstreaming die Frauenbevorzugung unter dem Mäntelchen angeblicher Gleichstellung fort: Gender-Mainstreaming ist wie von Zauberhand den Frauenabteilungen der entsprechenden Ministerien zugeordnet worden, die Projekte werden überwiegend von Frauen betrieben, Gleichstellungsbeauftragte müssen ausdrücklich weiblich sein, und fast immer ist die Zielgruppe des Fördergeldsegens weiblich. Ein Mainzer Soziologieprofessor, der Gender-Mainstreaming in einem noch im Internet kursierenden Aufsatz als „totalitäre Steigerung der Frauenpolitik“ bezeichnet hatte, schweigt heute eisern zu diesem Thema – aus Angst um Job, Nachtruhe und Autoreifen.

Er hatte offenbar zu sehr Recht.

„Gewalt gegen Frauen steht seit Jahrzehnten in der Diskussion. Ein Tabu ist die Gewalt, die Frauen ausüben. Gegen Männer. Gegen Kinder“ Astrid von Friesen, Therapeutin.


Quelle Fokus 2008


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